Kommunikation ist ein menschliches Grundbedürfnis
Eine Hörsehbehinderung oder Taubblindheit bringt mit sich, dass die Kommunikation angepasst werden muss. Es gibt sehr viele verschiedene Kommunikationsformen und -techniken. Da die Kommunikation nicht nur vom Hör- und Sehpotenzial der betroffenen Person und den Möglichkeiten des Gesprächspartners abhängt, sondern auch von den akustischen und visuellen Gegebenheiten vor Ort (gibt es Nebengeräusche, ist die Beleuchtung gut etc.), beherrscht eine hörsehbehinderte oder taubblinde Person in der Regel mehrere Kommunikationsformen und -techniken. Sie werden den Umständen entsprechend eingesetzt, manchmal auch parallel.
Auditiv
Diese Kommunikationsformen und -techniken werden eingesetzt, wenn die Sprache über das Gehör ganz oder teilweise verstanden werden kann.
Die meisten Menschen mit Hörsehbehinderung haben ein Hörpotenzial. Wird dieses durch eine moderne Hörhilfe unterstützt und passt der Gesprächspartner das Verhalten der Situation an, ist ein Gespräch über die Lautsprache möglich. Da für Hörgerättragende Hintergrundgeräusche sehr störend sind, sollte ein ruhiger Ort gewählt werden. Der Ort sollte auch visuell «ruhig und neutral» sein. Ausserdem sollte deutlich, aber nicht zu laut gesprochen werden. Manche Betroffene hören auf einer Seite besser als auf der anderen - deshalb ist es wichtig, die betroffene Person zu fragen, wo man sich am besten platziert, um mit ihr zu reden. Wenn die Person mit Hörsehbehinderung zusätzlich von den Lippen ablesen können muss, sollte man sich sagen lassen, in welcher Distanz man sich ihr gegenüber am besten positioniert.
Auch telefonieren ist möglich. Dies geht manchmal sogar besser als ein direktes Gespräch, weil für das Telefonieren verschiedene technische Hilfsmittel zur Verfügung stehen. Es ist dann, als würde das Gegenüber direkt ins Hörgerät sprechen. Eine Verständigung ohne störende Nebengeräusche kann besser verständlich sein.
Viele gehörlose Menschen sind sehr geübt im Lippen-lesen. Aber auch schwerhörige Menschen benutzen das Ablesen, um das Gehörte zu ergänzen. Der gesamte Gesichtsausdruck trägt zudem zur Informationsaufnahme bei. Somit ist diese Methode für viele Menschen mit Hörsehbehinderung eine Hilfe.
Es müssen allerdings einige Regeln befolgt werden: Erst wenn die betroffene Person den Mund der sprechenden Person mit den Augen fixiert hat, kann gesprochen werden. Auch sollte man so stehen, dass das eigene Gesicht gut beleuchtet und die betroffene Person nicht geblendet ist (Fenster, Lampen, Sonne usw.). Wenn am Anfang der Konversation das Thema bekannt gegeben wird, erleichtert dies das Verständnis.
Ausserdem sollte darauf geachtet werden, nicht gleichzeitig zu sprechen und auf etwas zu zeigen. Bevor man etwas zeigt, erklärt man das Thema oder den Gegenstand, auf den gezeigt werden soll. Damit ist klar, was mit den Augen gesucht werden muss.
Auch wenn alle Regeln befolgt werden, sollte bedacht werden, dass nur etwa 30% des Gesagten über das Ablesen genau verstanden werden. Der Rest muss über Kombinationen erraten werden.
Es kann vorkommen, dass ein Gesprächspartner ein Wort nicht versteht. In diesem Fall kann ihm das Wort in der Lautsprache buchstabiert werden. Das Buchstabieralphabet listet zu jedem Buchstaben ein entsprechendes Wort auf, das für schwerhörige Menschen in der Regel gut verständlich ist.
Visuell
Diese Kommunikationsformen kommen zum Einsatz, wenn ein Sehpotenzial vorhanden ist. Je nach Sehpotenzial müssen unterschiedliche Umstände beachtet werden.
Bei der Visual Frame Gebärdensprache wird ein kleinerer Gebärdenraum rund um das Gesicht benutzt. Diese Form der Gebärdensprache wird eingesetzt, wenn die betroffene Person ein eingeschränktes Gesichtsfeld hat. Betroffene Personen, die ablesen können, werden eher Gebärden unterhalb des Gesichtes bevorzugen (so ist das Mundbild noch erkennbar), andere wiederum gebärden vor dem Gesicht. Der jeweilige Gebärdenraum muss an die betroffene Person angepasst werden.
Üblicher Gebärdenraum | Eingeschränkter Gebärdenraum |
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Das Finger-Alphabet wird als Unterstützung der Gebärdensprache (Namen, neue Begriffe, Ortschaften usw.) verwendet. Beim Fingeralphabet wird jeder Buchstabe mit den Fingern einer Hand dargestellt. Personen mit Sehpotenzial können die Buchstaben visuell erkennen. Wenn eine visuelle Erkennung nicht möglich ist, können die Buchstaben auch ertastet werden.
EDLS ist ein Kodiersystem, mit dem man gesprochene Sprache sichtbar machen kann. Mittels dem Lippenbild, der Handform und der Position, also der Stelle im Gesicht, an der die Handform positioniert wird, können alle Laute sichtbar gemacht und auf diese Weise das Ablesen ergänzt werden.
Diese Kommunikationsform erfordert ein hohes Sehpotential. Wer jedoch bereits geübt ist, kann bei einer nachträglichen zusätzlichen Sehbehinderung mit der entsprechenden Beleuchtung und Distanz weiterhin versuchen, die Handformen zu sehen. Allenfalls kann auch eine taktile Variante ausprobiert werden.
Ist das Hörpotenzial von klein auf gering oder ist die betroffene Person gehörlos, hat aber noch ein Sehpotenzial, kommt oft die Gebärdensprache zum Einsatz.
Die Gebärdensprache ist eine eigenständige, vollwertige Sprache mit eigener Grammatik und Syntax. Mit den Händen, der Mimik, dem Mundbild und dem Oberkörper wird die Gebärdensprache visuell im Gebärdenraum dargestellt und über die Augen wahrgenommen.
Wenn wir kommunizieren, sendet der Körper immer auch Signale aus, sei dies bewusst oder unbewusst. Die Körpersprache versorgt uns mit vielen non-verbalen Informationen. Ein massvoller und klarer Einsatz von Körpersprache, Mimik und Gestik kann viel zur gegenseitigen Verständigung beitragen. Zu beachten ist, dass die Deutung der Körpersprache viel Interpretationsspielraum offenlässt und kulturabhängig ist. Deshalb kann sie auch zu Missverständnissen führen.
Falls die Sehkraft der betroffenen Person es zulässt, können Informationen deutlich und in Blockschrift auf Papier aufgeschrieben werden. Ein Filzstift gehört daher immer in die Tasche, wenn Sie mit Menschen mit Hörsehbehinderung kommunizieren möchten. Die betroffene Person wird Ihnen sagen, welche Grösse die Schrift haben soll. Dasselbe gilt auch für die Dicke und Farbe des Stiftes und des Papiers (weisses Papier blendet z.B. in einigen Fällen zu stark). Eine weitere Möglichkeit stellt das Schreiben auf einem Computer / Tablet oder Smartphone dar. Die betroffene Person liest vom Bildschirm ab, der auf die individuelle Zeichengrösse und Farbe eingestellt ist. Einige Betroffene können die Buchstaben auch nachempfinden und erkennen, wenn Sie diese mit dem Finger der hörsehbehinderten Person auf eine Tischplatte schreiben
Briefe, die auf Papier gedruckt oder elektronisch verschickt werden, sollten in Normalgrösse verfasst sein, damit sie der Empfänger selbst seiner Sehbehinderung entsprechend weiterverarbeiten kann; dies gilt auch für handgeschriebene Briefe. SMS, E-Mails, eignen sich gut, ebenso Chatprogramme.
Bilder, Fotos. Piktogramme und Symbole helfen bei der Kommunikation manchmal mehr als lange Beschreibungen. Piktogramme etc. werden in der Schweiz insbesondere in der Frühförderung und in spezialisierten Schul- und Wohninstitutionen für geburtstaubblinde Menschen entwickelt. Nebst offiziellen Piktogrammen hilft auch oft eine eigene Skizze.
Taktil
Der Fokus der taktilen Kommunikation liegt auf spezifischen und lernbaren Berührungen.
Bei diesem Handalphabet werden die Buchstaben durch Berührungspunkte und Striche in der Handfläche dargestellt. Üblicherweise wird in die linke Hand der Person mit Taubblindheit geschrieben. Lassen Sie die «besprochene oder auch empfangende» Hand der betroffenen Person entspannt auf Ihrer linken Hand ruhen.
Ein leichter Schlag auf die besprochene Hand bedeutet «Ende des Wortes», zwei Schläge bedeuten «Ende des Satzes». Fragen Sie die betroffene Person, ob sie diese Informationen wünscht. Ein leichtes Klopfen auf die Hand bedeutet «ja». Eine ausradierende Bewegung bedeutet «nein» oder die Korrektur des «gesprochenen» Wortes. Das Tempo ist der betroffenen Person anzupassen, denn das Lormen braucht viel Konzentration.
Der SZBLIND hat zum Lernen des Lorm-Alphabets eine App entwickelt für die Sprachen deutsch und französisch. Die App ist für Android und iPhone verfügbar und kann im Google Play Store oder im App Store heruntergeladen werden. Die App ermöglicht das Üben des Lormens an einer Hand auf dem Bildschirm, die direktes Feedback gibt, ob der für die Darstellung des Buchstaben richtige Punkt auf der Hand berührt wurde. Ausserdem integriert die App neu auch kleine Video-Sequenzen, welche die richtigen Punkte und Bewegungen vorzeigen.
Die Buchstaben des Alphabets werden mit Hilfe von sechs Punkten dargestellt, sei es gestanzt auf Papier oder mittels kleinen beweglichen Stiften auf einer sogenannten Braille-Zeile für elektronische Geräte. Diese Punkt-Kombinationen können mit den Fingerspitzen ertastet und so gelesen werden. Mit Braille kann man alle Buchstaben, Zahlen und Satzzeichen schreiben.
Für die Anwendung am Computer und anderen elektronischen Geräten wurden die Braille-Zeilen mit acht Punkten entwickelt. Damit können Grossbuchstaben, weitere Zeichen und Sonderzeichen dargestellt werden. Zudem kann man sich orientieren, wo man gerade am Schreiben ist. Diese Braille-Zeilen können auch in der direkten Kommunikation eingesetzt werden: jemand tippt auf eine normale Tastatur, was gesagt wird und die Person mit Hörsehbehinderung liest es auf der Braille-Zeile.
Braille wird auch in der direkten Kommunikation eingesetzt. Beim Fingerbraille werden Zeige-, Mittel- und Ringfinger beider Hände für die sechs Punkte verwendet.
Die beiden Personen sitzen sich gegenüber. Die schreibende Person legt ihre Zeige-Mittel-Ringfinger auf die entsprechenden Fingerrücken der betroffenen Person. Sie schreibt, wie auf einer Braille-Tastatur. Beide Personen müssen darin sehr geübt sein, um auf diese Art und Weise kommunizieren zu können.
Die Gebärdensprache kann statt über die Augen auch taktil wahrgenommen werden. Eine Person legt dabei ihre Hände auf die Hände der anderen gebärdenden Person. Die visuellen Elemente, wie z.B. Mimik und Mundbild, die nicht mehr über die Augen erkennbar sind, werden zusätzlich mit den Händen gebärdet.
Beim Tracking hält die betroffene Person den Unterarm der gebärdenden Person. So kann sie die Bewegung der Gebärden besser erkennen. Ausserdem hilft es ihr, sich zu orientieren (Arm- und Kopfstellung der gebärdenden Person). Beachtet werden sollte, dass man einen kleinen Gebärdenraum nutzt (wie bei der visual frame Gebärdensprache) und dass man sich den Bedürfnissen der betroffenen Person anpasst. Es wird «normal» und sauber gebärdet, jedoch nicht zu schnell.
Beim taktilen Fingeralphabet kann jeder Buchstabe an der Hand- und Fingerstellung erkannt werden. Die «sprechende» Person markiert den Buchstaben mit einer Hand. Menschen mit Hörsehbehinderung oder Taubblindheit legen ihre Hand über die Hand der «sprechenden» Person und ertasten so die Stellung der Finger bzw. die Buchstaben
«Haptisch» ist vom griechischen Wort haptos/haptikos abgeleitet, was fühlbar/aktiv erkundend bedeutet. Die haptische Kommunikation ist ein System von klar definierten Berührungszeichen, welche die sprechende Person mit ihrer Hand auf den ebenfalls definierten, neutralen Körperzonen der «zuhörenden» Person ausführt. Mit haptischen Zeichen lassen sich alltägliche und allgemeine Informationen, Verbindungen zu Menschen, Stimmungen und Gefühle vermitteln. Die haptischen Zeichen sind keine eigene Sprache, sondern ergänzen bereits bestehende Kommunikationsformen wie Lormen, Gebärdensprache oder gesprochene Sprache etc. Die Zeichen werden parallel oder simultan verwendet.
Die Fachlehrerinnen «Lormen und Haptische Kommunikation» haben haptische Zeichen für die Schweiz definiert. Die 2. erweiterte Auflage enthält über 80 haptische Zeichen für verschiedenste Alltagssituationen .
Die Fachstellen Hörsehbehinderung und Taubblindheit des SZBLIND bieten Kurse für interessierte Personen an und schulen auch interessierte Klientinnen und Klienten.
Weit verbreitet sind die Zeichen für «ja» und «nein» und das internationale Notfallzeichen.
PORTA ist die Deutschschweizer Sammlung von derzeit 500 Gebärden (Stand: Juni 2022, die den Möglichkeiten und Bedürfnissen von Menschen mit geistiger und mehrfacher (Sinnes-)Behinderung entsprechen. PORTA ist gleichermassen anschlussfähig an die Lautsprache und die Deutschschweizerische Gebärdensprache DSGS.
Es kommt vor, dass eine Person mit Hörsehbehinderung oder Taubblindheit und/oder ihre Angehörigen keinen Zugang zu den hier beschriebenen Kommunikationsformen und -techniken haben oder Schwierigkeiten haben, diese zu erlernen. Oft entwickeln solche Personen ihre eigene Kommunikationsstrategie und kommunizieren auf ihre spezifische Weise. Ebenso kommt es vor, dass sich in Beziehungen und / oder in Institutionen eigene Body signs oder hauseigene / institutionseigene Gebärden entwickeln.
Mit Menschen, welche die Schriftzeichen des Alphabets kennen, kann «taktil geschrieben» werden. Die «sprechende» Person schreibt mit dem Zeigefinger gewöhnliche, grosse Druckbuchstaben (oder Zahlen) Buchstabe für Buchstabe in die Handfläche des Menschen mit Taubblindheit. Es kann auch mit dem Finger der Person auf eine Unterlage geschrieben werden.
Der Vorteil dieser Kommunikationsform ist, dass diese Schrift allen bereits bekannt ist. Der Nachteil ist, dass diese Kommunikationsart langsam ist und von der betroffenen Person grosse Konzentration verlangt. Entsprechend wird die taktile Blockschrift eher selten genutzt.
Für einige Personen, die von Geburt an hörsehbehindert sind, werden die Kommunikationsformen sehr individuell entwickelt und aufgebaut. Dasselbe gilt auch, wenn nebst der Sinnesbehinderung eine Mehrfachbehinderung besteht. Die Kommunikation besteht aus einer Kombination von gesprochener Sprache sowie Gesten, Mimik und Zeichen in die Hand (und/oder auch andere Körperbereiche). Zusätzlich können tastbare Symbole, Bezugsobjekte, Strukturhilfen, individualisierte Gebärden, Zeichnungen und Piktogramme eingesetzt werden. Piktogramme sind vereinfacht gezeichnete Symbole oder Relieffiguren. Diese Kommunikationsformen sind immer individuell oder zumindest auf eine Organisation/ Gruppe beschränkt und bedingen eine grosse Vertrautheit mit der betroffenen Person. In der Schweiz werden sie insbesondere in der Frühförderung und in den spezialisierten Schul- und Wohninstitutionen für geburtstaubblinde Menschen entwickelt.
Kommunikation kann auf viele verschieden Weisen stattfinden. Eine mögliche Technik ist, dass man etwas vorzeigt oder gemeinsam etwas macht. Auf diese Weise kann Kommunikation auch ohne viele Worte passieren.
Das lässt sich sehen!
Damit Menschen mit einer Seh- und Hörsehbehinderung ein besseres Leben führen können, wird viel getan. Aktuellste Informationen dazu erhalten Sie hier!